Physophora magnifica
Leopold und Rudolf Blaschka, Dresden; um 1885; Lampenarbeit
/ Glasmodell; 32 x 13 x 13 cm;
Zoologische
Sammlung, Universität Tübingen
(Foto: Peter Neumann, Ammerbuch)
Ernst Haeckel: Physophora magnifica H.
(Aus: Haeckel 1869 : 36, Tafel i-v)
Die Staatsqualle Physophora magnifica zählt zu den beeindruckendsten der 32 Glasmodelle aus der Werkstatt Blaschka, die um 1885 von Professor Theodor Eimer für die Zoologische Sammlung der Universität Tübingen angekauft wurden. Studenten konnten daran das Prinzip und den Bau von solchen frei auf der Hochsee schwimmenden Kolonien aus medusen- und polypenförmigen Einzeltieren begreifen. Staatsquallen tragen ihren Namen, weil die Einzeltiere zeitlebens miteinander verbunden sind und sich die zur Erhaltung der Kolonie nötigen Aufgaben wie Fortpflanzung, Ernährung und Verteidigung teilen.
Leopold Blaschka (1822-1895) und sein Sohn Rudolf (1857-1939) waren exzellente Glasbläser und Schmuckhersteller in böhmischer Tradition, aber auch ehrgeizige Amateurzoologen. Die zu ihrer Zeit zahlreichen neuen Funde und Erkenntnisse auf den Gebieten der zoologischen Systematik, Stammesentwicklung und Embryologie bedurften der wissenschaftlichen Darstellung. Vor diesem Hintergrund fertigten die Blaschkas zwischen 1863 und 1890 Tausende akribisch naturgetreue und kunstvolle Glasmodelle von wirbellosen Tieren an und verkauften sie an Museen und Universitätssammlungen weltweit.
Dabei waren die Publikationen führender Zoologen des 19. Jh. bei der Modellgestaltung die wichtigste Quelle. So standen die Blaschkas auch mit dem deutschen Naturforscher und Darwinisten Ernst Haeckel in Kontakt. Die Physophora wurde anhand von Haeckels Beschreibungen und Zeichnungen entwickelt (vgl. Abb. 2) und erstmals 1878 als Glasmodell angeboten.
Da marine Wirbellose in Alkohol konserviert schnell Form und Farbe verlieren und sich nicht ausstopfen lassen, lösten die Blaschkas mit ihren lebensechten Glastieren auf elegante Weise ein Problem, vor dem im 19. Jh. zahlreiche Kuratoren und Wissenschaftler standen. Kein anderes Material wird der natürlichen Anmutung und Transparenz dieser Lebewesen so gerecht wie Glas, geformt in höchster handwerklicher Perfektion und wissenschaftlicher Genauigkeit. Zwar hat man bis heute keine besseren Konservierungsmethoden für solche Meerestiere gefunden, aber Unterwasserfotografien und -filme sowie Exkursionen machen die Glasmodelle für die Lehre entbehrlich.
Mögen diese Modelle ursprünglich vor allem der wissenschaftlichen Anschauung gedient haben, so rückt heute wohl immer stärker ihr ästhetischer und kulturhistorischer Wert in den Vordergrund. Die Zoologieinstitute und Museen, in denen sich bis heute einige Blaschka-Modelle erhalten haben, werden sich der Verantwortung für dieses wertvolle Kultur- und Wissenschaftserbe zunehmend bewusst. Die Zahl der Modelle weltweit ist überschaubar: in Deutschland existieren nur noch gut 100 solcher Glastiere – und 32 davon stehen in der Zoologischen Sammlung der Universität Tübingen.
Meike Niepelt
- Haeckel, E. (1869): Zur Entwicklung der Siphonophore.
Berlin.
(Die vorliegende Reproduktion der Tafel wurde freundlicherweise
vom Institut für Biologie 1 (Zoologie) der Universität Freiburg zur
Verfügung gestellt).
- Reiling, H. (1998): The Blaschkas’ Glass Animal Models:
Origins of Design. Journal of Glass Studies 40 : 105-26.
- Wiegmann, K. / Niepelt, M. (Hrsg., 2006): Kunstformen des
Meeres. Zoologische Glasmodelle von Leopold und Rudolf Blaschka
1863-1890. Tübingen.
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