Ausstellungstitel: Achtunddreissig Dinge

Nr. 05/38

Selbstbildnis mit gerunzelter Stirn

Rembrandt: Selbstbildnis mit gerunzelter Stirn

Rembrandt Harmensz. van Rijn; um 1630; Radierung (II. Zustand); 6,7 x 5,6 cm;
Vermächtnis des Tübinger Kreisgerichtsrates Freiherr Otto von Breitschwert, 1910;
Graphische Sammlung am Kunsthistorischen Institut, Universität Tübingen
(Foto: Eva Parth)

Rembrandt – Selbst

Im malerischen und druckgraphischen Werk Rembrandts finden sich zahlreiche Selbstbildnisse des holländischen Künstlers. Das kleinformatige Blatt entstand in der Frühzeit um 1630, zu Beginn der Amsterdamer Schaffenszeit. In dieser Phase fertigte Rembrandt mehrere Druckgraphiken, die Zeugnis geben von einem intensiven Studium der Physiognomie und der Affekte. Frontal, mit entschlossenem, fast grimmigen Ausdruck zeigt sich der Künstler dem Betrachter im Brustporträt vor knappem, neutralem Grund. Die Physiognomie ist durch fein modellierte Bewegungen mit gerunzelter Stirn und zusammengezogenen Brauen charakterisiert. Der auf einen Punkt ausgerichtete feste Blick kontrastiert das fast schulterlange, offene lockige Haar. Zusätzlich verdichtet die stark schattierte Gesichtshälfte den Ausdruck, der durch die fein bewegte Strichführung der Radiertechnik erzeugt wird. In der zeitgenössischen Kunsttheorie galt zugleich die Wiedergabe komödiantenhafter Grimassen als besondere künstlerische Qualität des „poetischen Geistes“ des Malers (Raupp 1984).

Das Selbstbildnis ist in vier Druckzuständen bekannt, wobei das Tübinger Exemplar den zweiten Zustand dokumentiert, nachdem Rembrandt die Druckplatte verkleinert hatte. Das mehrfache Überarbeiten der Platten ist typisch für die direkte Arbeitsweise des Künstlers. Vorzeichnungen zur Radierung sind nicht bekannt.

Rembrandt war bereits bei seinen Zeitgenossen berühmt für die malerische Anwendung der Radierung und ihrer graphischen Auslotung des Hell-Dunkel, für die es in der Druckgraphik keine Vorbilder gab. Über den Vertrieb und die Auflagenhöhe der Blätter ist fast nichts überliefert.
Seine Druckgraphiken waren bereits bei seinem Tod in allen wichtigen europäischen Sammlungen vertreten.
Das Tübinger Exemplar gelangte über die testamentarische Stiftung des Kreisgerichtsrates Freiherr Otto von Breitschwert (1829-1910) in die Graphiksammlung des Kunsthistorischen Instituts. Aus Quellen wissen wir, dass dieser Sammler das Blatt – mit weiteren Werken des Künstlers – im Jahre 1894 bei dem Stuttgarter Kunsthändler Schlesinger erworben hat. Auf der Rückseite der Radierung findet sich die Wertschätzung eines Vorbesitzers des Blattes, der dieses handschriftlich als „sehr selten“ – „très rare“ bezeichnet. Künstlerbildnisse stellen einen Schwerpunkt im Bestand der Graphischen Sammlung des Kunsthistorischen Instituts dar. Dieser Bereich wurde in den letzten Jahren bis in die Klassische Moderne ausgebaut (Sammlung Rieth) und ergänzt die praxisorientierte Ausbildung von Studierenden der Kunstgeschichte auf ideale Weise. Im Studiensaal der Graphischen Sammlung können darüber hinaus Interessierten anhand der Vorlage von Originalen, zu regelmäßigen Öffnungszeiten, Einblicke in die Sammlung gewährt werden.

Anette Michels

- Bevers, H. / Schatborn, P. / Welzel, B. (1991): Rembrandt. Der Meister und seine Werkstatt. Zeichnungen und Radierungen. Ausstellungskatalog Berlin / Amsterdam / London. München : Kat. Nr. 2.
- Raupp, H.-J. (1984): Untersuchungen zu Künstlerbildnis und Künstlerdarstellung in den Niederlanden im 17. Jahrhundert. Hildesheim / Zürich / New York : 175-81.
- Universitätsarchiv Tübingen, UAT 175/6 [testamentarische Stiftung des Kreisgerichtsrates Freiherr Otto von Breitschwert].
- White, C. (1969): Rembrandt as an etcher. Vol. 2. London : 108.
- White, C. / Boon, K. G. (1969): Hollstein‘s Dutch and Flemish Etchings, Engravings and Woodcuts 1450-1700. Vol. XVIII. Amsterdam : B 10/II.

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