Rembrandt Harmensz. vanRijn; signiert und datiert:„Rembrandt f. / 1636“;
Radierung (einziger Druckzustand);
15,0 x 12,4 cm;
Vermächtnis des TübingerKreisgerichtsrates Freiherr Otto von Breitschwert,
1910;
Graphische Sammlung amKunsthistorischen Institut,Universität Tübingen
(Foto: Eva Parth)
Im Unterschied zum malerischen Oeuvre Rembrandts (1606-1669), das eher der Historiendarstellung verpflichtet war, formulierte der Künstler in der Druckgraphik im Laufe seines Lebens eine breite Themenvielfalt. In unübertroffener Technik des graphischen Ausdrucks werden in den Druckgraphiken Historien, Portraits, Darstellungen des bäuerlichen, ländlichen Lebens, Stilleben oder Landschaften künstlerisch zukunftsweisend behandelt.
In der Geschichte der Druckgraphik stellen die radierten Skizzen Rembrandts eine Besonderheit dar, zu einem Zeitpunkt als die Technik des Kupferstichs wesentlich höher rangierte.
Wie in einem Skizzenbuch vereinigt die im Jahre 1636 entstandene Radierung die zentrale Darstellung Saskia van Uylenburghs – der Frau Rembrandts – mit fünf weiteren weiblichen Köpfen in dichter Zusammenstellung. Die lockere Strichführung charakterisiert subtil verdichtende Einzelheiten der Physiognomien bei gleichzeitiger unterschiedlicher Behandlung im Grad der Ausführung: Stark ausgearbeitete Köpfe mit dichten Strichlagen sind vorhanden wie auch grob skizzierte Partien von Kopfbedeckungen und Haartracht. Auch sind verschiedene Posen und Blickrichtungen bei den in unterschiedlichen Lebensaltern dargestellten Frauen auszumachen.
Im Verhältnis zum neutralen Grund ergibt sich übergeordnet ein Spiel mit Form und Raum – etwa im offengelassenen Kontur des mittig plazierten Profilkopfes der unteren Bildhälfte – Gestaltungsprinzipien, die zuvor im Medium der Druckgraphik eher unbekannt waren. Gleichzeitig stellt dieses radierte Skizzenblatt ein vollendetes abgeschlossenes Werk dar, denn der Künstler hat das Blatt an prominenter Stelle deutlich signiert und datiert. Diese Art von Skizzen fertigte Rembrandt häufiger. Dabei war nicht so sehr das Porträthafte der Figuren wichtig, als vielmehr der unfertige, künstlerische Charakter der radierten Studien, die bereits zu Lebzeiten Rembrandts begehrte Sammlerstücke waren und deren Wirkung noch heute fasziniert.
Die Herkunft des Blattes als testamentarische Stiftung des Freiherrn Otto von Breitschwert (1829- 1910) zeugt gleichzeitig von der lange andauernden Wertschätzung Rembrandts, dessen Werk besonders seit dem 18. Jahrhundert auch bei einem bürgerlichen Publikum beliebt war und das häufig von Künstlern kopiert wurde. Teilweise bemängelten jedoch auch Vertreter der Kunstakademien das angeblich Fehlerhafte seiner Zeichnung, da – ihrer Auffassung nach – hier die mangelnde Schulung an der Antike besonders sichtbar würde. Zu Ende des 19. Jahrhunderts entdeckten dagegen beispielsweise die englischen Malerradierer wie Francis Seymour Haden oder James Whistler die faszinierende graphische Arbeitsweise Rembrandts auf neue Weise.
Anette Michels
- Baudis, H. / Röder, K. (1995): Rembrandt fecit. Ausstellungskatalog
Schwerin. Schwerin : Kat. Nr. 160.
- Lloyd Williams, J. (2001): Rembrandt’s women. Ausstellungskatalog
Edinburgh / London. München : Kat. Nr. 62.
- White, C. / Boon, K. G. (1969): Hollstein‘s Dutch and Flemish
Etchings, Engravings and Woodcuts 1450-1700. Vol. XVIII. Amsterdam
: B 365.
Impressum | © Copyright Universität Tübingen | Stand 12.06.2006