Ausstellungstitel: Achtunddreissig Dinge

Nr. 07/38

Briefwechsel: Felix Genzmer und Albert Einstein

Vorderseite des Briefes von Genzmer an Einstein

Vorderseite des Briefes von Genzmer an Einstein, 18. Januar 1920. (Foto: Hilde Jensen)

Postkarte mit Antwort von Einstein

Postkarte mit Antwort von Einstein, 22. Januar 1920. (Foto: Hilde Jensen)

18. Januar bzw. 22. Januar 1920; Typoskript-Kopie und Originalpostkarte, eingeklebt in die 4. Aufl. von Einsteins gemeinverständlichem Büchlein „Über die spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie“ (Braunschweig 1919); 27,9 x 20,8 cm (Brief Genzmer), 8,9 x 14,2 cm (Postkarte Einstein); Schenkung F. Genzmer, 1954;
wiederaufgefunden 2003 von Alfons Renz nach einem diesbezüglichen Hinweis von Hermann Schmidt;
Physikalisches Institut, Universität Tübingen

Eine kleine Bemerkung zur Relativitätstheorie

Der offenbar noch nicht publizierte „Briefwechsel“ beschränkt sich auf Genzmers anderthalbseitige Typoskript-Kopie vom 18. Januar 1920 und die Originalpostkarte von Einsteins Antwort vier Tage später, eingeklebt in die 4. Auflage von Einsteins gemeinverständlichem Büchlein „Über die spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie“, Braunschweig 1919, mit der handschriftlichen Vorblatt-Widmung: „Dem Physikalischen Institut zur freundlichen Erinnerung überreicht / Felix Genzmer 13. 4. 1954“ (vgl. Transkriptionen der beiden Texte auf S. 92).

Genzmer (1878-1959) war kein Naturwissenschaftler, sondern Jurist und Altgermanist: Ordinarius für Öffentliches Recht in Rostock (1920), Marburg (1922) und Tübingen (1934-45). Seine Übertragung der Edda (2 Bände, Sammlung Thule, Jena 1914, 1920) konnte sich seinerzeit als „die treueste, die es gibt“, Geltung verschaffen (Frankfurter Zeitung).

In dem Brief, den Genzmer als „eine kleine Bemerkung zur allgemeinen Relativitätstheori(e)“ Einstein zu unterbreiten sich erlaubt, ist gleich eingangs von (Werner) Blochs „Einführung in die Relativitätstheorie“ (2. Auflage, Leipzig/Berlin : 95-7) die Rede, einem Bändchen, dessen Manuskript zur 1. Aufl., wie Bloch im Vorwort angibt, Einstein selber vorgelegen hat.

Ausgangspunkt für Genzmer ist „das Problem des im Weltraum rotierenden Körpers, das bei Wegdenkung aller übrigen Massen zu dem bekannten Zwiespalt führt“, der Einstein gegenüber selbstverständlich kaum angedeutet zu werden braucht. Dabei geht es um die Diskrepanz zwischen Newton und Ernst Mach, wobei Newton die Verformung einer Kugel zum Ellipsoid als Charakteristikum für ihre Eigenrotation gegenüber dem Universum wertet, unabhängig davon, ob dieser „absolute“ Raum leer ist oder ferne Massen enthält, wohingegen die Rotation des Universums um die Kugel herum in keinem Fall deren Abplattung zur Folge haben soll, während es für Mach entscheidend auf das Vorhandensein äußerer Massen und eine relative Drehung von Kugel und Universum zueinander ankommt. In einem leeren Universum lässt sich nicht feststellen, ob die Kugel rotiert. Und da andererseits zur experimentellen Überprüfung der Abplattung eine Rotation genügend massereicher Riesenschwungräder um eine in ihrer Mitte ruhenden Kugel praktisch nicht realisiert werden kann, bringt nun Genzmer aus seiner Sicht vielleicht weiterhelfende mögliche Beziehungen zwischen den galaktischen Polen und der Lagerung planetarer Drehachsen ins Spiel. Einstein bleibt da freilich nichts anderes übrig, als mit ausgesuchter Höflichkeit auf die Raumisotropie in der Umgebung jedes Punktes hinzuweisen.

Friedemann Rex

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