Ausstellungstitel: Achtunddreissig Dinge

Nr. 08/38

Objekte aus dem Nachlass Joseph Gärtners

Einfaches Handmikroskop mit Kästchen

Einfaches Handmikroskop mit Kästchen; wahrscheinlich süddeutsch;
18. Jh.; Horn, Bein, Messing und Glas; Mikroskop: Vergrößerung ca. 20- bis 100-fach, 5 Objektiv-Linsenfassungen (4 Linsen sind erhalten);
7 x 4 x 4 cm (Mikroskop); 5 x 20 x 12,5 cm (Kästchen);
aus dem Nachlass Prof. Joseph Gärtners in Calw, der durch Schenkung über die Enkelin 1860
in den Besitz des Botanischen Instituts (Prof. Hugo von Mohl) kam;
Sammlung historischer Mikroskope am Botanischen Institut, Universität Tübingen (Foto: Hilde Jensen)

Magnolia-Fruht im Glas

Sammelfrucht der in den USA beheimateten Immergrünen oder Großblütigen Magnolie (Magnolia grandiflora L.), Familie: Magnoliengewächse (Magnoliaceae); 10 x 5 x 5 cm (Frucht); auf dem handschriftlichen Etikett von J. Gärtner ist kein Fundort vermerkt;
kam 1860 aus dem Nachlass von Gärtners Sohn Carl Friedrich durch Schenkung an das Botanische Institut; Herbarium Tubingense, Botanisches Institut der Universität Tübingen (Foto: Hilde Jensen)

Darstellung der Magno

Darstellung der Magnolia aus dem Buch Gärtners,
„De fructibus et seminibus plantarum“;1788 (Band 1); 25,3 x 42,3 cm (aufgeklappt);
Universitätsbibliothek Tübingen, Signatur: Bi 13.4° -1
(Foto: Eva Parth)

Gärtners Früchte und Pflanzen

Aus dem Nachlass Joseph Gärtners stammt dieses Handmikroskop, das dessen Enkelin dem Tübinger Pflanzenphysiologen Hugo v. Mohl 1860 vermachte. Konstruiert wurde dieses sog. Screw-Barrel Mikroskop vom Niederländer Nicolaas Hartsoeker, der 1704-1717 als Erster Mathematicus in Heidelberg lehrte. Bis ins 20. Jahrhundert wurden solche Geräte fast unverändert als Trichinen- oder Taschenmikroskope angeboten.

Bei einem solchen „Einfachen Mikroskop“ wird das Objekt mittels einer stark vergrößernden Linse ohne Zwischenvergrößerung betrachtet. Der Vorteil: das Bild ist seitenrichtig; der Nachteil: die Objektivlinse ist winzig und muss sehr nahe an Präparat und Auge gebracht werden. Ein Brennglas am Ende des Tubus konzentriert das Licht auf das Präparat, das zwischen zwei Glasplättchen in den Vertiefungen des Objektschiebers fixiert ist. Ein solcher Schieber aus Bein kann 5 Präparate aufnehmen. Zur Fokussierung schraubt man den hinteren Teil in den vorderen Tubus und bringt so die Präparate in den Fokus der Objektivlinse. Ob es dieses Gerät war, mit dem Gärtner durch übermäßiges Mikroskopieren die Augen so sehr schädigte, dass er für zwei Jahre fast erblindete? Wohl kaum, denn dazu ist es zu einfach konstruiert und wohl eher nur als Salonmikroskop zur Augenbelustigung benutzt worden. Darauf verweisen auch die beiden auf den Objektschiebern erhaltenen Präparate: Ein fein gefiedertes Blatt und ein Floh, dessen Jagd im Barock zum ergötzlichen Zeitvertreib in Salons zählte.

Die „Sammlung Gärtner“ umfasst heute ca. 600 meist in Deckelgläsern aufbewahrte Früchte und Samen. Zusammengetragen hat sie überwiegend Joseph Gärtner (1732-1791), der 1763 in Tübingen zum Dr. med. promoviert wurde. 1767 folgte er einem Ruf als Professor für Botanik an die Akademie in St. Petersburg, kehrte aber bereits 1770 in seine Geburtsstadt Calw zurück. Bis zu seinem Tod widmete er sich dort dem Studium von Früchten und Samen, die im Vergleich zu den Blüten sehr vernachlässigt worden waren. Heimische Arten suchte er selbst, Objekte aus den Tropen erhielt er von vielen Seiten, u. a. von Sir Joseph Banks (1743-1820), Teilnehmer von 1768-71 an Cooks erster Weltumseglung, oder von dem Botaniker Karl Peter Thunberg (1743-1822), der Südafrika, Java und Japan bereist hatte.

Unter dem Titel „De fructibus et seminibus plantarum“ erschienen 1788 und 1791 die beiden Bände dieser ersten umfassenden Darstellung von Früchten und Samen. Den Supplementband eingeschlossen – er wurde zwischen 1805 und 1807 von seinem Sohn Carl Friedrich (1772-1850) beendet, dem später sehr bedeutenden Vererbungsforscher – werden sie von 1650 Pflanzen aus aller Welt vorbildlich beschrieben und mit unübertroffener Detailtreue auf 225 Tafeln abgebildet. Viele Arten tragen bis heute den von Joseph oder C. F. Gärtner festgelegten wissenschaftlichen Namen. Nicht wenige Typusexemplare, die diesen Benennungen zugrunde liegen, finden sich in der Tübinger Sammlung und dienen als unersetzliche Belege der internationalen Forschung.

Klaus Dobat, Alfons Renz

- Dobat, K. (1984): Berühmte Tübinger Botaniker zwischen 1535 und 1850. Bausteine zur Tübinger Universitätsgeschichte Folge 2, Reihe 1, Heft 9 : 7-47.
- Graepel, P. H. (1992): Joseph Gärtner (1732-1791) und Carl Friedrich von Gärtner (1772-1850). Zwei namhafte Botaniker der Blüten- und Früchtekunde. In: Albrecht, H. (Hrsg.): Schwäbische Forscher und Gelehrte. Lebensbilder aus sechs Jahrhunderten. Leinfelden-Echterdingen : 59-66.
- Hartsoeker, N. (1694): Essay de dioptrique. Paris.
- Schmitz, E.-H. (1989): Handbuch zur Geschichte der Optik. Ergänzungsband II Teil A: Das Mikroskop. Bonn

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