Mikroskop No. 1 aus der Anatomie, um 1852-56.
(Foto: Wolf-Dieter Finck)
Charles Louis Bénèche und Rudolf Wasserlein, Berlin; um 1852-56;
signiert: „Bénèche & Wasserlein Berlin“, mit Aufschrift: „Anat. Anst. Tübingen No. 1“;
Messing; 33 x 11,5 x 13 cm; Schenkung aus dem Nachlass von Professor
Ernst Ruska, Berlin, 2006;
Anatomisches Institut, Universität Tübingen
Signatur: „Bénèche & Wasserlein Berlin"
(Foto: Wolf-Dieter Fink)
Aufschrift: „Anat. Anst. Tübingen No. 1“.
(Foto: Wolf-Dieter Fink)
Not macht erfinderisch. Davon profitierten eine ganze Reihe heute vergessener Hersteller von Mikroskopen in Deutschland zur Mitte des vorletzten Jahrhunderts. Nicht die mechanische Qualität ihrer Instrumente – da waren die großen und unerschwinglich teuren Luxusmikroskope aus England weit überlegen –, aber ihre hervorragende Optik bei preiswerter Konstruktion und die Beschränkung aufs Wesentliche machten die deutschen Mikroskope damals so beliebt. Charles Louis Bénèche und sein Teilhaber Rudolf Wasserlein betrieben zwischen ca. 1850 und 1860 eine gemeinsame Produktion von Mikroskopen in Berlin.
Spät, erst im Jahr 1803, soll das erste Mikroskop durch Schenkung des Barons von Palm aus Kirchheim unter Teck an die Universität gekommen sein (s. Eimer 1889). Tatsächlich verweisen ältere Inventare zwar durchaus auf Flohgläser und diverse „microscopica“, aber offenbar dienten diese allenfalls zur Augenbelustigung oder zur Demonstration optischer Gesetze. Die forschende Medizin, unter der sich damals noch die Zoologie, Zootomie und Anatomie vereinigten, richtete erst gegen Mitte des 19. Jahrhunderts ihren Blick auf die Anatomie der Organe und die Pathologie der Zelle.
Der Erwerb dieses Mikroskops – laut Institut-Etats zwischen 1852 und 1856 – fällt zeitlich in die Trennung von Zoologie und Anatomie, wobei letztere 1835 ihr neues Domizil am Österberg bezog, während die Zoologie 1846 in die nun freigewordene Alte Aula kam. Die Inventarnummer „1“, der Wert des damals größten Stativs der Firma Bénèche & Wasserlein sowie der Zeitpunkt der Anschaffung lassen einen Zusammenhang mit der Einrichtung des anatomischen Extraordinariats vermuten, das 1855 für Hubert Luschka (1820-1875) eingerichtet wurde, nachdem dieser den Lehrstuhl schon ab 1852 vertreten hatte.
In diese Zeit (1853/4) fällt auch die Dissertation des Luschka-Schülers Wilhelm Kieser aus Tübingen, der sich mit dem „Steinkind von Leinzell“ beschäftigte, einem damals schon historischen Präparat eines Lithopaedions (vgl. Kat. Nr. 15). Kieser schreibt: „Unter dem Microscop schossen aus der heissen alkoholischen Lösung [der talgartigen Masse, welche sich statt der Muskeln und des Unterhautbindegewebes im Steinkind vorfand] feine büschelförmig gruppirte Nadeln an, eine Krystallform, welche … der Margarinsäure zukommt“ (Kieser 1854: 45). Es ist möglich, dass besagtes Mikroskop bei der Untersuchung dieses anatomisch-pathologischen Präparats zum Einsatz kam.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Mikroskop von Ernst Ruska, dem Erfinder des Elektronenmikroskops und Nobelpreisträger, erworben und kam aus dessen Nachlass 2006 durch Schenkung aus Berlin wieder zurück an die Universität.
Alfons Renz
- Eimer, T. (1889): Das Zoologische Institut. In: Festgabe zum
Fünfundzwanzigjährigen Regierungsjubiläum seiner Majestät des
Königs Karl von Württemberg. In Ehrfurcht dargebracht von der
Universität Tübingen. Tübingen : 35-44.
- Kieser, W. (1854): Das Steinkind von Leinzell. Dissertation Tübingen.
Stuttgart.
- Mörike, K. D. (1984): Hundertfünfzig Jahre Anatomie auf dem
Österberg. Tübinger Blätter 71 : 74-9.
- Staatsarchiv Ludwigsburg, StAL E 226/192: Bände 631-4 [Institut-
Etats von 1852-56].
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