Cambridge Schaukelmikrotom der Firma Jung (Heidelberg)
Cambridge Scientific Instrument Company / Firma
Rudolf Jung, Heidelberg (hergestellt in Lizenz);
ca. 1909 (mit späteren Ergänzungen);
signiert: „R. Jung / Heidelberg / No 31“; Gusseisen,
schwarz und rot lackiert; 20 x 40 x 20 cm;
Anatomisches Institut, Universität Tübingen (Foto: Alfons Renz)
Thoma Schlittenmikrotom der Firma Jung (Heidelberg)
aus dem Anatomischen Institut, 1902.
Gusseisen; 23 x 59 x 20 cm;
Anatomisches Institut, Universität Tübingen (Foto: Alfons Renz)
Für die histologische Untersuchung von Gewebe muss dieses in hauchdünne Scheiben geschnitten und für die mikroskopische Betrachtung durchsichtig gemacht werden. Zum Schneiden dient das Mikrotom, eine Vorrichtung mit feststehendem oder beweglichem Messer, mittels dessen die durch Fixierung gehärteten und in Paraffinwachs eingebetteten Gewebestücke in ca. 1/100 mm dicke Scheiben zerlegt werden.
Die Konstruktion des Schaukelmikrotoms beruht
auf dem Prinzip eines T-förmigen Hebels, der am
langen Ende durch eine feine Mikrometerschraube
gehoben wird und dadurch das zu schneidende Objekt
in kleinen Schritten an das feststehende Messer
führt.
Erfunden wurde der Konstruktionstyp dieses Mikrotoms
von Horace Darwin in England. Dessen berühmter
Vater Charles war davon so überzeugt, dass
er seinem Sohn den Einstieg in die Firma Cambridge
Scientific Instrument Company zur Produktion des
Geräts finanzierte. Die Firma wurde 1878 gegründet.
1885 kam das Mikrotom auf den Markt. Vorteilhaft
ist die einfache Konstruktion, die keine Präzisionsteile
erfordert und durch die V-förmige Lagerung
der Drehteile unverwüstlich und ohne Spiel arbeitet.
Auch Serienschnitte lassen sich einfach herstellen.
Nachteilig ist dagegen der sehr begrenzte Vorschub,
so dass es sich nur für sehr kleine Proben eignet.
Rudolf Jung (1845-1900) in Heidelberg, der Pionier
deutscher Mikrotome, produzierte das Schaukelmikrotom
1909 in Lizenz. Seine 1872 gegründete
Firma fusionierte 1986 mit Cambridge Instruments
und 1990 mit Leica. Die niedrige Fertigungsnummer
unseres Geräts (No 31) könnte ein Indiz dafür sein,
dass dieses Mikrotom in Deutschland nie die Verbreitung
wie im angelsächsischen Sprachraum
gefunden hat.
Mit dem Heidelberger Pathologen Rudolf Thoma entwickelte Jung im Jahr 1872 das nach ersterem benannte Schlittenmikrotom als erstes Gerät, das 1881 in Serie ging und bis heute nahezu unverändert gebaut wird. Der Gedanke, das Heben der zu schneidenden Objekte durch einen Schlitten auf einer schräg ansteigenden Ebene vorzunehmen, stammt von Rivet, dessen 1868 in Paris vorgestelltes Mikrotom allerdings noch sehr einfach aus Holz gefertigt war.
Drei damals innovative Merkmale zeichnen unseren Bautyp aus (Inv. Nr. 0-0629, Produktionsnummer 5519): Die mechanisch solide Konstruktion aus Gusseisen mit feststehendem Messer erlaubt Schnitte von bis zu 4 cm2 Fläche bei einer Dicke von 5 bis 10 µm. Die Lagerung des Schlittens auf nur 5 Punkten in zwei Flächen arbeitet ohne Spiel und schleift sich selbständig ein. Und vor allem gestattet die dreh-, heb-, und neigbare Objektkammer die genaue räumliche Orientierung des Präparats. Dies ist vor allem wichtig bei der histologischen Untersuchung von Embryonen und kleinen Organismen. Entwickelt wurde diese nach ihrer Herkunft ‚Neapler-Kammer’ genannte Haltevorrichtung von Anton Dohrn an der dortigen Zoologischen Station, wo mit Unterstützung von Darwin, Huxley, Virchow, Abbe und Zeiss für Biologen aus aller Welt hervorragend ausgestattete Arbeitsplätze am Mittelmeer eingerichtet wurden.
Alfons Renz
- Bracegirdle, B. (1978): A History of Microtechnique. The
evolution of the microtome and the development of tissue
preparation. London.
- Stehli, G. (1921): Das Mikrotom und die Mikrotomtechnik.
Stuttgart.
- Van Heurck, H. F. (1893): The Microscope. Its Construction and
Management. London.
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