Ausstellungstitel: Achtunddreissig Dinge

Nr. 22/38

Telefonmaske

Telefonmaske aus Rottenburg a. N., ca 1983

Telefonmaske aus Rottenburg a. N., ca. 1983: Technischer Abfall als Montageelement eines Fastnachtsrequisits.
Telefonapparatgehäuse und –hörer (Metall, Kunststoff, Textil) aufmontiert auf einem Arbeitsschutzhelm; 35 x 74 x 45 cm;
Sammlungen des Ludwig-Uhland-Instituts für Empirische Kulturwissenschaft, Schloss Hohentübingen, Universität Tübingen (Foto: Hilde Jensen)

Elzacher Schuddig-Maske, ca. 1960

Rückansicht der Kopfbedeckung einer Elzacher Schuddig-Maske, ca. 1960: Naturaler Abfall als Gestaltungselement
einer Schwarzwälder Fastnachtsmaske. (Foto: Hilde Jensen)

Aus dem "Feld" ins Depot

Die Telefonmaske ist eine von ursprünglich vierzehn, die von einer Lehrlingsgruppe des Fernmeldezeugamts Rottenburg (1970-1996) für die Straßenfastnacht 1983 gefertigt wurden. Ein studentisches Forschungsprojekt zu Formen der populären Kreativität entdeckte sie als Umzugsmasken bei einem Narrentreffen in Horb und veranlasste die „Schenkung“ einer von ihnen an das Institut. Die Gestaltung der Maske erfolgte in Analogie zu einem seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in der südwestdeutschen Fastnacht überlieferten Maskentypus. Dieser Maskentypus besteht aus nicht mehr verwendungsfähigen materialen Resten alltäglicher Gebrauchskulturen – also beispielsweise aus naturalem Abfall wie Erbsstroh, Nussschalen und Schneckenhäusern (wie etwa beim Elzacher Schuddig) oder aus gewerblichem Abfall wie bei den Narro-Figuren in dem Schwarzwald-Städtchen Zell a. H. (Bändele-Narro, Spielkarten-Narro). Im Falle der Telefonmaske wurden veraltete, aus büro- und haushaltstechnischen Verwendungszusammenhängen stammende Abfallprodukte zu Bauelementen eines modernen Brauchrequisits gemacht. Die Maske spiegelt so den in den frühen 1980ern einsetzenden Prozess der technologischen und wirtschaftlichen Modernisierung des Telekommunikationssektors – den Weg in die Schnurlosigkeit. Sie bezeugt darüber hinaus ganz allgemein den progredienten Reliktanfall in Konsumgesellschaften, aber auch dessen kreative Nutzung in der lebensweltlichen Alltagskultur.

Das Ludwig-Uhland-Institut hat sich in seinen Projektstudien immer wieder mit diesen Formen der „Volkskultur in der technischen Welt“ beschäftigt und so seine Sammlung ständig ergänzt und aktualisiert. Es hat in seinen objektbezogenen Forschungen nicht einen etablierten volkskundlichen Bestandskanon eingefroren, sondern diesen kontinuierlich – zumeist auf der Grundlage von Feldforschungen – erweitert. So sind die Sammlungen des Ludwig-Uhland-Instituts in der Tat auch so etwas wie eine „Verlängerung des Feldes“, wie der französische Ethnologe Claude Lévi-Strauss die der anthropologischen Forschung und Lehre dienenden Deponiereinrichtungen genannt hat.

Schon mehrfach hat deshalb das Ludwig-Uhland-Institut bei der Vorstellung der Universitätssammlungen Belege aus seinem Maskenbestand gezeigt. Im Attempto-Heft 1974 waren es Masken aus der bürgerlichen Fastnacht des 19. Jahrhunderts, in einer Broschüre aus dem gleichen Jahr, in der die Sammlungen der Universität aufgelistet wurden, war es eine Hexenlarve aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. In den 1960er Jahren war die Erforschung der aktuellen Formen und Funktionen der südwestdeutschen Fastnacht ein Schwerpunkt der Institutsarbeit. Und auch heute ist es ein Forschungsfeld, dem immer wieder auch – z. T. unter veränderten Fragestellungen – die Aufmerksamkeit von Einzelarbeiten und von Studienprojekten gilt.

Gottfried Korff

- (1967): Masken zwischen Spiel und Ernst. Beiträge des Tübinger Arbeitskreises für Fastnachtsforschungen. Tübingen.
- (1989): Wilde Masken. Ein anderer Blick auf die Fasnacht. Tübingen.
- (2003): Forschendes Lernen. Studienprojekte am Ludwig-Uhland-Institut. Tübinger Korrespondenzblatt 55.

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