Rektorszepter der Universität Tübingen,
Datierung um 1480 (Michael Speidel), mit Reparaturen nach 1534;
Stab:
Silberrohre auf Holz aufgezogen,
teilweise vergoldet; Figur: Silber vergoldet, mit Ausnahme von Kopf,
Händen und Szepter;
104,5 x 1,5 x 1,5 cm (Schaft); 2,3 cm (Durchmesser des Griffs); 3,5 cm
(Durchmesser des Knaufs am Griff);
Silberschatz der Universität Tübingen (Foto: Joachim Feist)
Die Universität Tübingen gehört zu denjenigen wenigen Hochschulen in Europa, an denen sich die Würdezeichen universitärer Selbstdarstellung erhalten haben. Besonders seit spätmittelalterlicher Zeit treten vermehrt Szepter auf, so etwa an den Universitäten Basel, Freiburg, Glasgow, Heidelberg, Krakau, Leipzig oder Paris. Diese Werke sind für uns heute auch wichtige Zeugnisse profaner Goldschmiedekunst, über deren Schöpfer meist keine Quellen Auskunft geben. Auch für dieses Szepter fehlen archivalische Hinweise über seine Entstehung. In der bisherigen Literatur wird jedoch – aufgrund einer konstatierten Ähnlichkeit mit dem Katharinenszepter (vgl. Kat. Nr. 26) – auch dieses Stück zeitlich um 1480 eingeordnet. Als zusätzlicher Beleg für die Datierung wird auf die Erwähnung von „sceptra“ in den Statuten der Universität bei der Gründung im Jahre 1477 verwiesen, bzw. erscheinen auch in dieser Zeit bereits gekreuzte Szepter im Wappen der Universität.
Aus dem getriebenen Korb in charakteristischem Akanthusornament der Spätgotik erhebt sich die Halbfigur des bartlosen Mannes mit Barett in einem Mantel mit breitem Kragen, der in seiner Linken ein Szepter trägt. Dabei ist zweifelhaft, ob es sich hier um den Schutzpatron der Juristen, Hl. Ivo von Chartres, handeln könnte. Die alte, inzwischen mehrheitlich von der Forschung verworfene Identifikation mit dem Grafen Eberhard im Bart, dem Stifter der Universität, oder einer anderen fürstlichen Person, wäre noch einmal zu bedenken. Kostümgeschichtlich verwandte Darstellungen des Hausbuchmeisters, etwa das Dedikationsbild mit dem Pfalzgrafen Philipp dem Aufrichtigen, 1480 (Heidelberg, Cod.pal. germ 87), sind in diesem Zusammenhang heranzuziehen.
Den Ergebnissen G. Richters zufolge wurde dieses Szepter nach einem Brand von 1534 repariert, wobei Setzung der Figur und Teile des Blattkorbes wahrscheinlich geändert bzw. hinzugefügt wurden. J. M. Fritz hat vorgeschlagen, das Szepter in der Hand des Dargestellten als weltliches Machtzeichen des Rektors zu interpretieren. In künstlerischer Hinsicht lassen sich die Bezüge zum Schaffen führender Künstler der Spätgotik (Meister E.S., Martin Schongauer, Hausbuchmeister) als ein dezidiertes Streben nach künstlerischer Qualität deuten. Das Rektorszepter gehört zu den besten Werken seiner Art in Europa.
Anette Michels, Sergiusz Michalski
- Fritz, J. M. (Hrsg., 1986): Mittelalterliche
Universitätszepter.
Meisterwerke europäischer Goldschmiedekunst der Gotik. Ausstellung
zum 600jährigen Jubiläum der Universität Heidelberg.
Heidelberg : 44, Kat. Nr. 18.
- Richter, G. (1964): Die Insignien der Universität Tübingen. Tübingen
: 37-40, Tafel 1, 3, 4, 5.
- Vorbrodt, G. W. / Vorbrodt, I. (1971): Corpus sceptrorum. Die akademischen
Szepter und Stäbe in Europa. Bd. I. Heidelberg : 244-6.
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