Katharinenszepter, 1482 (um 1600 überarbeitet).
Benannt nach der Hl. Katharina, Schutzpatronin der Artistenfakultät;
Auftrag der Artistenfakultät an den
Goldschmied Michel zu Wil (Michael Speidel in Weil der Stadt, 1482);
1482 und um 1600 überarbeitet;
Silber (Stab aus einem Stück), teilweise vergoldet, Reste von ehemaliger
grüner Emaillierung; Akanthusranken
in à jour Arbeit, teilweise mit Granulation; 105,5 x 1,6 x 1,6 cm (Schaft);
2,2 cm (Durchmesser des Griffs);
Silberschatz der Universität Tübingen
(Foto: Joachim Feist)
Bei der spätmittelalterlichen Artistenfakultät handelt
es sich um die Vorgängerin der heutigen geisteswissenschaftlichen
Fakultäten, wo die Studierenden
die sieben ‚artes‘ – so etwa Logik, Rhetorik und
Arithmetik – erlernten.
Das Szepter war ursprünglich
der Philosophischen Fakultät zugehörig.
Szepter sind Ausdruck der Verfassungsstruktur mittelalterlicher
Universitäten und ihrer Selbstdarstellung.
Zugleich dienen sie auch als Symbole der
Würdestellung des Rektors und als Herrschaftszeichen.
Von mehreren Universitäten wird überliefert,
dass der Universitätspedell bei amtlichen Auftritten
des Rektors, diesem das Szepter vorantragen musste.
Dies war auch an der Universität Tübingen noch
bis in die 1960er Jahre üblich.
Universitätsszepter bestehen aus einem langen Schaft, der meist durch Knäufe oder Ringe in mehrere Abschnitte unterteilt ist, mit einer Bekrönung als Abschluss. Meist haben sich zu den Goldschmieden europäischer Universitätsszepter, die seit Ende des 14. Jahrhunderts existieren, kaum Überlieferungen erhalten. Dagegen sind wir über das Tübinger Katharinenszepter urkundlich gut unterrichtet: Die Quittung des Goldschmieds Michel zu Wil (Michael Speidel, Weil der Stadt) hat sich in einer Abschrift des Tübinger Professors Martin Crusius (1526-1607) erhalten, die außerdem eine Datierung in das Jahr 1482 zulässt (Universitätsarchiv Tübingen, Mh 369). Die Hl. Katharina von Alexandrien hatte – laut Überlieferung – in einer Disputation fünfzig heidnische Philosophen besiegt und zum Glauben bekehrt, weshalb sie häufig als Patronin für die Artistenfakultät gewählt wurde.
Die spätgotische Figur wurde in Gusstechnik hergestellt. Ihre Gestaltung ist möglicherweise durch einen Kupferstich Martin Schongauers angeregt worden, auch erinnert die Figur der Katharina entfernt an einen Reliquienbehälter. Der umgebende Blattkorb und Teile des Stabes haben kurz nach 1600 Umarbeitungen erfahren, die im Fall des Blattkorbes auf eine faszinierende Adaptation spätgotischer Blattformen – durch einen dem manieristischen Stil verpflichteten Goldschmied – hinausliefen. Der gedrehte Griff stammt ebenfalls noch aus spätgotischer Zeit.
Anette Michels, Sergiusz Michalski
- Fritz, J. M. (Hrsg., 1986): Mittelalterliche
Universitätszepter.
Meisterwerke europäischer Goldschmiedekunst der Gotik. Ausstellung
zum 600jährigen Jubiläum der Universität Heidelberg.
Heidelberg : 46, Kat. Nr. 19.
- Paatz, W. (1953): Sceptrum universitatis. Die europäischen Universitätszepter.
Heidelberg : 69-72, 136-7.
- Richter, G. (1964): Die Insignien der Universität Tübingen. Tübingen
: 29-37, Tafel 1-3.
- Vorbrodt, G. W. / Vorbrodt, I. (1971): Corpus sceptrorum. Die akademischen
Szepter und Stäbe in Europa. Bd. I. Heidelberg : 244-6.
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