Ausstellungstitel: Achtunddreissig Dinge

Nr. 28/38

Mosasaurier Platecarpus Coryphaeus (Cope, 1872)

Mosasaurier Platecarpus Coryphaeus (Cope, 1872)

Aus der Oberkreide (Niobrara Chalk, ca. 75 Millionen Jahre alt); Schädel und vorderer Teil der Wirbelsäule;
58 x 107 x 11 cm; gefunden von Charles H. Sternberg im Jahre 1911 in Logan County, Kansas (USA);
Magazin des Instituts für Geowissenschaften, Universität Tübingen
(Foto: Wolfgang Gerber)

Ein Saurier wachgeküsst

Das Institut für Geowissenschaften der Universität Tübingen ist nicht nur das älteste und traditionsreichste Geologische Institut Deutschlands, sondern beherbergt auch eine der größten universitätseigenen paläontologischen Sammlungen der Welt. Durch die Tätigkeit vieler berühmter Forscher, allen voran des Altmeisters der Schwäbischen Geologie, Friedrich August von Quenstedt (1809-1889), des geologisch-paläontologischen Universalgenies Ernst von Koken (1860-1912) sowie des Saurierspezialisten Friedrich Freiherr von Huene (1875-1969) wurden einmalige Funde aus der ganzen Welt zusammengetragen. Besondere wissenschaftliche Bedeutung kommt der Sammlung durch die Tausende von Holotypen zu, Originale zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen, aufgrund derer neue fossile Tier- und Pflanzenarten erstmals beschrieben wurden, und die heute Wissenschaftlern in aller Welt als „Urmeter“ dienen, um neue Funde vergleichen und korrekt zuordnen zu können.

Schwerpunkte der Tübinger Sammlung sind neben den Wirbellosen des Jura (vor allem Ammoniten) und Funden aus dem Holzmadener Posidonienschiefer (Ichthyosaurier, Meereskrokodile, Fische, Seelilien etc.) vor allem eine in Europa nahezu einzigartig vielseitige und international ausgerichtete Sammlung spektakulärer Saurierskelette, darunter säugetierähnlicher Reptilien aus Afrika, Nord- und Südamerika, Meeressaurier aus England und den USA, Dinosaurier aus Trias und Jura Europas, Afrikas und Nordamerikas.

Ein Beispiel aus der Sammlung, das schon seit Jahrzehnten im Magazin des Museums einem „Dornröschenschlaf“ anheim gefallen war und nun erstmals wieder der Öffentlichkeit präsentiert wird, ist der hier ausgestellte Schädel mit Teilen der Wirbelsäule von Platecarpus coryphaeus aus der Oberkreide (ca. 75 Millionen Jahre alt) von Kansas, USA (Russell 1967). Die Mosasaurier waren räuberische Echsen, die nahe mit den heutigen Waranen verwandt sind, aber ihr ganzes Leben im Meer zubrachten. Ihre Gliedmaßen waren daher zu Flossen umgewandelt und sie brachten lebende Junge zur Welt, da sie nicht mehr zur Eiablage an Land gehen konnten. Die größten Mosasaurier wurden über 15 Meter lang. Platecarpus gehört mit einer maximalen Länge von 5-6 Metern zu ihren kleineren und häufigeren Vertretern. Mit seinen spitzkonischen, kräftigen Zähnen erbeutete der Saurier vor allem Fische und Tinten- fische. Ein besonderer Kiefermechanismus erlaubte es ihm, ähnlich wie den heutigen Schlangen, sein Maul extrem weit zu öffnen, um auch große Beutetiere im Ganzen verschlingen zu können. Das hier ausgestellte Stück wurde auf Veranlassung von Prof. Ernst von Koken im Jahre 1907 von dem berühmten amerikanischen „Dinosaurier-Jäger“ Charles H. Sternberg ausgegraben.

Das Tübinger Institut verfügt über die deutschlandweit größte und bedeutendste Sammlung von Mosasauriern (Huene 1919), wobei dieses sehr gut erhaltene Stück bis heute wissenschaftlich unbearbeitet geblieben ist, da andere, vollständigere Funde die Aufmerksamkeit der Forscher mehr auf sich zogen.

Michael W. Maisch, James Nebelsick


- Huene, F. von (1919): Bilder aus der paläontologischen Universitätssammlung in Tübingen. 3. Mosasaurier. Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg 75 : 183-4.
- Russell, D. A. (1967): Systematics and morphology of American mosasaurs. Bulletin of the Peabody Museum of Natural History 23 : 1-240.
- Westphal, F. / Liebau, A. (Hrsg., 1995): Schwimmsaurier. Ausstellungskataloge der Universität Tübingen, Nr. 24. Tübingen.

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