Ausstellungstitel: Achtunddreissig Dinge

Nr. 29/38

Die Tübinger Kräuterbuch-Tafeln von Leonhart Fuchs

Kräuterbuchtafel aus dem Nachlass des Tübinger Mediziners und Botanikers Leonhart Fuchs

Bergahorn (Acer pseudoplatanus L.); Familie: Ahorngewächse (Aceraceae);
32,9 x 20,6 cm (Holztafel); 31,3 cm (Höhe der Zeichnung);
Kräuterbuchtafel aus dem Nachlass des Tübinger Mediziners und Botanikers Leonhart Fuchs (1501- 1566);
die Übertragung der Zeichnung auf den für den späteren Druck vorgesehenen Holzstock, das sog. Aufreißen, erfolgte zwischen 1555 und 1564 durch Jerg Ziegler, den letzten künstlerischen Mitarbeiter von Fuchs. Dies belegt sein doppeltes Monogramm am unteren Hirnschnitt der aus Birnbaumholz gefertigten Tafel: ein Wappen mit drei Ziegeln, gekrönt von einem Z mit senkrechtem Mittelstrich für Vor- und Nachnamen;
Herbarium Tubingense, Botanisches Institut der Universität Tübingen (Foto: Hilde Jensen)

Pflanzenrisse auf Holz

Der Aufriss des bis 40 m hohen Bergahorns zeigt beispielhaft die Intention, durch Idealisierung ein einprägsames „Gesamtbild“ zu erlangen. So wurde auf die Größenrelationen von Wurzeln, Stamm und Laub verzichtet, die Krone auf sieben Hauptäste und 31 generalisierte Blätter reduziert. Nur ein einzelnes vergrößertes Blatt besitzt die typischen Artmerkmale. Ein weiterer „Kunstgriff“: Der im Mai blühende Bergahorn trägt neben einem Blütenstand bereits die erst im Herbst reifenden Früchte. Auf einen Blick also ist die Art zu erkennen, wird zugleich der Jahreszyklus im Bild festgehalten!

1535 begann Leonhart Fuchs als Professor der Medizin seine Lehrtätigkeit in Tübingen. Ausdrücklich mit der Neuordnung der Universität beauftragt, reformierte und modernisierte er Forschung und Lehre. So führte er erstmals botanische Exkursionen durch und legte beim Nonnenhaus den ersten wissenschaftlich genutzten Garten der Universität an, einen der ältesten der Welt! 1542 erschien seine Historia stirpium, ein Arzneipflanzenbuch mit 511 vorzüglichen Holzschnitten, durch das Fuchs als einer der „Väter der Botanik“ in die Geschichte einging. 1543 folgte das New Kreüterbuch, und noch während des Drucks setzte er eine Erweiterung der Historia fort. Lebenslang arbeitete er daran, ließ neue Aquarelle und Aufrisse anfertigen und bemühte sich verzweifelt – wenn auch vergeblich – um einen Verleger. Nach seinem Tod 1566 in Tübingen gelangte das umfangreiche Manuskript mit über 1500 Pflanzenbildern nach Wien in die Österreichische Nationalbibliothek, wo es bis heute vollständig erhalten ist.

Leider blieb dieses Glück einem zweiten Erbteil von Fuchs versagt: den unter seiner Anleitung entstandenen und von ihm auf den Hirnschnitten beschrifteten Kräuterbuchtafeln. Dabei hatte schon 1750 der Tübinger Sibirienreisende Johann Georg Gmelin (1709-1755) ihr Vorhandensein in der damaligen „Akademischen Bibliothek“ bemerkt und auf die Konkordanz der Pflanzendarstellungen mit denen im „New Kreüterbuch“ hingewiesen. Bis 1853 besaß die Universitätsbibliothek 196 dieser einmaligen Aufrisse, 1899 waren es nur noch 186, die dann an das Botanische Institut abgegeben wurden. „Hier“, schreibt Stübler (1928 : 265), „scheint man von der Herkunft der Tafeln bald nichts mehr gewußt zu haben. In der Inflationszeit wurde nämlich der größte Teil an die Stuttgarter Akademie der bildenden Künste verkauft, wo die Zeichnungen abgehobelt wurden...“

Stübler nennt 1928 noch 25 Exemplare aus dem Botanischen Institut, rund vierzig Jahre später war ihre Zahl auf 23 geschrumpft – und beinahe wären alle weg: 1964/65 lagen sie total verschmutzt auf dem Dachboden, halb begraben unter einem Berg von Schutt und Gerümpel, den man zur baldigen „Entsorgung“ aufgetürmt hatte! Umso dringender erscheint die Schaffung eines eigenen Universitäts-Museums in Tübingen.

Klaus Dobat

- Baumann, B. / Baumann, H. / Baumann-Schleihauf, S. (2001): Die Kräuterbuchhandschrift des Leonhart Fuchs. Stuttgart.
- Dobat, K. (1983): Tübinger Kräuterbuchtafeln des Leonhart Fuchs (1501-1566). Botanisch-historische Raritäten der Eberhard- Karls-Universität Tübingen. 23 Tafeln sowie Begleitheft. Tübingen.
- Stübler, E. (1928): Leonhart Fuchs. Leben und Werk. Münchener Beiträge zur Geschichte und Literatur der Naturwissenschaften und Medizin, Bd. 13/14. München.

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