Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten
Provenienzforschung am MUT
Zum Museum der Universität Tübingen MUT zählen insgesamt über 70 Sammlungen und 130 Teilsammlungen mit umfangreichen Beständen aus allen Fakultäten. Angesichts der Vielfalt unterschiedlichster Sammlungsbestände stellt sich unter anderem die Frage nach der Geschichte der Objekte, nach ihrer Herkunft, den früheren Besitzwechseln und den Erwerbsumständen. So rücken beim Thema Kolonialzeit verschiedene Sammlungen in den Blick, deren Objekte aufgrund des jeweiligen Forschungsgebiets weltweit zusammengetragen wurden.
Die noch junge Disziplin der Provenienzforschung untersucht, in welchem Kontext die Objekte hergestellt und weitergegeben wurden und ob sie möglicherweise unrechtmäßig in europäische Sammlungen gelangt sind. Die Forschenden interessieren sich für die Herkunft und die „Biografie des Objekts“ – von seiner Entstehung bis zur Ankunft in der Sammlung eines Archivs, eines Museums oder einer Universität. Dabei legen die Recherchen die Perspektive der beteiligten Personen dar und dokumentieren sie.
Herbarium Tubingense
Das Sammeln von Pflanzen hat in Tübingen eine lange Geschichte. In dem von Hugo v. Mohl 1837 gegründeten Herbarium Tubingense wird Pflanzenmaterial aus mehreren Jahrhunderten und aus aller Welt aufbewahrt. Derzeit sind das rund 500 000 Pflanzenbelege und botanische Objekte. Dazu gehören neben den Blütenpflanzen auch Pilze, Algen, Farne, Moose und Flechten. Das Herbarium besteht aus einer Hauptsammlung und mehreren Spezialsammlungen wie etwa der berühmten Früchte- und Samensammlung von Joseph Gärtner (1732–1791) und seinem Sohn Carl Friedrich Gaertner (1772–1850). Einige der rund 600 meist in Deckgläsern aufbewahrten Exemplare dieser Sammlung wurden weltweit auf teilweise abenteuerlichen Reisen zusammengetragen, so von Joseph Banks, der als Botaniker zwischen 1768 und 1771 an James Cooks erster Reise in den Südpazifik teilnahm, oder von Carl Peter Thunberg, der im Auftrag der Niederländischen Ostindien-Kompanie zwischen 1772 und 1778 Südafrika, Java und Japan bereiste. Die beiden Naturforscher überließen Joseph Gärtner das Material aus ihren Sammlungen für sein Beschreibungswerk der Früchte und Samen von über 1000 Pflanzengattungen weltweit 'De fructibus et seminibus plantarum'.
Adresse:
Herbarium Tubingense
Institut für Evolution und Ökologie
Eberhard Karls Universität Tübingen
Auf der Morgenstelle 5
D–72076 Tübingen
Öffnungszeiten:
Das Herbarium ist nicht öffentlich zugänglich. Termine nach Vereinbarung.
Kontakt:
Prof. Dr. Oliver Bossdorf
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Tel.: 07071-2978809
Dr. Uta Grünert
E-Mail senden
Tel.: 07071-2978812
Geographische Kartensammlung
Die Darstellung von räumlichen Zusammenhängen in Form einfacher kartographischer Darstellungen reicht zurück bis in die Frühgeschichte Mesopotamiens. Als älteste Kartendarstellung gilt bis heute eine Tontafel der akkadischen Stadt Nuzi (heute im Irak) aus der Zeit zwischen 2340 und 2200 v. Chr.
Die Kartensammlung des Geographischen Instituts besteht seit 1899, als der Bestand des Historischen Seminars übernommen wurde. Angelegt wurde sie ursprünglich durch den Historiker Dietrich Schäfer und vergrößerte sich anschließend durch Neuanschaffungen und Kriegskarten enorm. Im Rahmen der Schließung des Geographischen Instituts der Universität Stuttgart wurde die dortige Kartensammlung 2010 in den Bestand der Tübinger Sammlung integriert und damit die aktuelle Größe von etwa 160 000 Kartenblättern, 600 Wandkarten sowie digitalen Medien erreicht. Dazu gehören auch Karten der Kolonialzeit, die ursprünglich aus dem Stuttgarter Lindenmuseum stammen. Sie stehen auch für Forschungsarbeiten im Kontext der Provenienzforschung zur Verfügung. Sehr viele wertvolle historische Karten stammen aus dem Vorderen Orient. Sie bildeten die Grundlage des Tübinger Atlas des Vorderen Orients (TAVO), der im Rahmen eines interdisziplinären DFG-Sonderforschungsbereichs zwischen 1969 und 1993 erstellt wurde. Er umfasst rund 300 einzelne Kartenblätter.
Übersicht der vorhandenen Karten unter: Hier klicken
Adresse des Kartensammlungsbüros:
Geographisches Institut
Rümelinstraße 19–23
Raum H601 (Hauptgebäude Rümelinstraße 23)
Aktuelle Öffnungszeiten: Hier klicken
weitere Termine nach Absprache
Ansprechpartner:
Dr. Joachim Eberle
E-Mail senden
Tel: 07071-2973943
Paläontologische Sammlung
Die Paläontologische Sammlung der Universität Tübingen blickt auf eine mehr als 300-jährige Geschichte zurück. Am Beginn steht die Naturaliensammlung von Johann Georg Gmelin dem Älteren (1674–1728). Maßgeblich für den großen Umfang und die hohe Qualität der Sammlungen waren Forscher und Professoren, wie Friedrich August Quenstedt (1809–1889), Ernst von Koken (1860–1912) und Friedrich von Huene (1875–1969). Die Fossilien werden als Forschungs-, Lehr- und Schausammlung genutzt. Mit über einer Million Objekten gehört diese Universitätssammlung zu den weltgrößten ihrer Art.
Die Zeugen aus der erdgeschichtlichen Vergangenheit stammen zum Teil aus Baden-Württemberg, wie das Skelett eines Meereskrokodils (Steneosaurus bollensis) aus Heumaden, oder anderen Gebieten Deutschlands, wie die älteste fossile Schildkröte Proganochelys quenstedtii aus Neuenhaus. Zudem sind Beispiele aus anderen Teilen der Welt enthalten, so der Kentrosaurus aus Tansania. Dieses Dinosaurierskelett wurde bei einer Grabung zwischen 1909 und 1913 im damaligen Deutsch-Ostafrika am Tendaguru-Hügel, im heutigen Tansania, gefunden. Die Grabungsleitung hatte damals der Berliner Paläontologen Werner Janensch (1878–1969) inne. Edwin Hennig (1882–1977), zu dieser Zeit Assistent in Berlin, war ab 1917 Direktor des Tübinger Instituts. Über ihn kam das Skelett als Schenkung in die Sammlung. Aufgrund des kolonialzeitlichen Kontextes stellen sich hier Fragen nach den Umständen der Grabung: Wurden die Menschen, die die Knochen ausgegraben haben, bezahlt und wussten sie von deren Wert oder Bedeutung? Waren sie einverstanden, dass sie nach Deutschland gebracht wurden?
Adresse:
Paläontologische Sammlung | Fachbereich Geowissenschaften
Sigwartstraße 10
D–72076 Tübingen
Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag, 9 bis 17 Uhr
Führungen:
Gruppen- und Schulführungen jederzeit nach Vereinbarung
Führung buchen: Hier klicken oder per E-Mail
Eintritt
frei
Ansprechpartner:
Dr. Ingmar Werneburg
E-Mail senden
Tel.: 07071-2973068
Zahnmedizinische Sammlung des MUT
Am Beginn der Lehrsammlung des Zentrums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (ZZMK) steht die Privatsammlung des Zahnmediziners Hermann Peckert (1876–1940). Er gründete das Zahnärztliche Institut der Universität Tübingen und leitete es als dessen Direktor von 1910 bis 1937. Die Sammlung wurde seither erweitert und ist heute im Erdgeschoss der Zahnklinik untergebracht. Die Zeitspanne der Objekte reicht vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart.
Der Zweig eines „Zahnbürstenbaumes“ aus der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika (Inv.-Nr. UKT-Za-395) weist auf die Spuren der Kolonialzeit hin. Das als „Miswak“ oder „Siwak“ bezeichnete Instrument zur Reinigung und Pflege der Zähne wurde vermutlich von einem Missionar um 1910 aus der damaligen deutschen Kolonie mitgebracht. Seit etwa Ende des 19. Jahrhunderts kommt das wohlriechende Holz bei der Zahnpflege zum Einsatz. Hierfür werden zunächst die Spitzen der Zweige von der Rinde befreit, dann gekaut, gehämmert oder eingeweicht, bis sie ausfasern und als pinselartige Zahnbürste verwendet werden können.
Adresse:
Zahnmedizinische Sammlung | Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde ZZMK
Osianderstraße 2–8
D–72076 Tübingen
Aktuelle Öffnungszeiten:
Termine nach Absprache/Voranmeldung
Ansprechpartner:
Dr. Andreas Prutscher ZA
E-Mail senden
Tel.: 07071/2983461
Sekretariat des Museums der Universität Tübingen MUT
E-Mail senden
Tel.: 07071-2976437