Beim Schatz des Monats August 2024 handelt es sich um eine Votivstele des Ramose aus Kalkstein.
Unweit des Tals der Könige, auf dem thebanischen Westufer des Nils gelegen, lag die Arbeitersiedlung Deir el-Medineh. Dort wohnten die Arbeiter und Künstler, die für die Pharaonen der 18. bis 20. Dynastie (1550–1080 v. Chr.) ihre Gräber im Tal der Könige anlegten und dekorierten. Der Ort Deir el-Medineh ist für Ägyptologen vor allem deshalb von großer Bedeutung, da die dortigen Funde einen tiefen Einblick in den Alltag der Bewohner und die Organisation der Arbeiter liefern. Schreiber der Nekropole (des Friedhofs) von Deir el-Medineh war zeitweise ein gewisser Ramose, wie es im Text einer Votivstele heißt, die sich heute in der Tübinger Sammlung befindet.
Diese kleine Stele ist ein ungewöhnliches Objekt, denn in das Kalksteintäfelchen wurde ein Amulett aus Fayence eingelegt. Das eingelegte Amulett wurde, wie die kleine Öse nahelegt, ursprünglich um den Hals getragen, um den Schutz des Tragenden zu gewähren, und stellt die Göttin Hathor in Form einer Kuh dar. Das ist eine typische Repräsentation der Göttin, die ihre Aspekte als Mutter und Himmelsgöttin aber auch als Totengöttin symbolisiert. Hathor war in Deir el-Medineh eine hochverehrte Göttin. Das lag an ihrer Präsenz innerhalb des Volksglaubens und der persönlichen Frömmigkeit. In der unteren Hälfte der Votivstele wird Ramoses Bediensteter Seanch-Ptah im Anbetungsgestus dargestellt. Im Text vor ihm wird geschildert, wie er Hathor Lobpreis gibt.
Ursprünglich befand sich an der Stelle des Fayence-Amuletts eine reliefierte Darstellung der Göttin. Das umgebende, noch erhaltene Relief stellt einen Schrein dar. Es handelt sich also um die symbolische Darstellung einer Gottheit in ihrem Tempel. Die Stele ist eine Votivgabe, das heißt, sie wurde einem Heiligtum als Weihgeschenk für eine Gottheit gestiftet. In dem Dorf von Deir el-Medineh befand sich seit seiner Gründung ein Tempel der Göttin Hathor. Ein komplett dekorierter Bau aus griechisch-römischer Zeit kann heute noch besichtigt werden und zeugt von der Prominenz der Göttin in der Gegend. Der Text oberhalb und neben dem Amulett nennt Name und Beinamen der Hathor. Sie ist demnach "Gebieterin des Westens und Herrin des Himmels, die Gebieterin aller Götter". Die Bezeichnung "Gebieterin des Westens" deutet außerdem auf Hathors Funktion als Totengottheit, denn das Jenseits befand sich nach ägyptischer Ansicht im Westen.
Jan Tattko und Carolina Teotino