Beim Schatz des Dezember 2023 handelt es sich um eine ein Poupou.
Hinematioros Pou ist eines der ältesten Objekte und sicher das wertvollste der Ethnologischen Sammlung an der Universität Tübingen. Lange war das von Künstlern der Maori im 18. Jahrhundert handgeschnitzte Wandpaneel in Vergessenheit geraten. Erst der Kustos Dr. Volker Harms entdeckte es 1996 wieder. Harms war es auch, der die Verbindung zu den Reisen von James Cook herstellte: eine Zeichnung der Sammlung von Joseph Banks, einem Mitglied der Crew von Cooks erster Pazifikreise, zeigt genau dieses Paneel. Daraus schloss Harms, dass dieses Poupou eine Ahnendarstellung der Maori iwi (Stamm) Te Aitanga-a-Hauiti ist und durch Banks von Neuseeland nach Europa gelangte. Mitglieder der Te Aitanga-a-Hauiti leben auch heute noch an der Ostküste der Nordinsel Neuseelands, einer Region namens Uawa oder Tolaga Bay. Ursprünglich war das Poupou Teil einer Verzierung der Seitenwände eines Versammlungshauses oder whare runanga in Tolaga Bay. Diese Paneele stellen Ahnen und Ahninnen dar, die in der Ahnenlinie des iwi von Bedeutung sind. So sind Poupous für die Maori nicht nur hölzerne Wandpaneele, sondern verkörpern die Ahnen selbst und sind so für angehörige Maori „lebendige Personen“.
Laut Überlieferung wurde das „Tübinger Poupou“ von der Prinzessin Hinematioro an James Cook übergeben. Hinematioro war Mitglied der Adelsfamilie von Uawa. Die Aufzeichnungen in den Tagebüchern von Banks und Cook stellen diese Überlieferung jedoch in Frage – ein Treffen zwischen Hinematioro und Cook lässt sich erst auf eine spätere Reise datieren. Trotzdem liegt es nahe, dass es sich beim Poupou um eine wichtige Ahnin aus der Linie Hinematioro handelt.
Im März 2023 reiste der aktuelle Kustos der Sammlung, Markus Schleiter, nach Neuseeland und traf sich mit Mitgliedern von Te Aitanga-a-Hauiti, um über die zukünftige Ausstellung des Poupou zu sprechen. So entstand der Wunsch eine gemeinsame Ausstellung in die Wege zu leiten. Die Mitglieder der Te Aitanga-a-Hauiti betonen besonders den Aspekt, dass das „Tübinger Poupou“ mit dem mana (Macht oder spirituelle Energie) ihrer Ahnin untrennbar verbunden ist und als solches auch weiterhin für deren Mitglieder von Bedeutung ist. Über eine Ausstellung kann die Beziehung zur Ahnin wieder hergestellt und gelebt werden.
Und genau daran wird im Moment gearbeitet: Zusammen mit Studierenden der Universität Tübingen und Interessierten aus Uawa entstehen Pläne für eine Ausstellung des Poupous im Museum der Universität Tübingen. Da es aber noch einige Jahre dauert, bis diese Pläne realisiert werden können, bot eine Werkstattausstellung im Stadtmuseum zum Jahreswechsel 2023/24 einen ersten Eindruck. Dort präsentierten Studierende des interdisziplinären Masterprofils MuSa (Museum & Sammlung) und des Studienganges Ethnologie, in Gegenwart von Hinematioros Poupou die Projekte eines Seminars. Die Studierenden haben in eigenen Recherchen sowie in Zoom Gesprächen mit Angehörigen der Hauiti über kollaborative und remote-ethnography Methoden, die Geschichte des Poupous erarbeitet.
Dennoch stellen diese Herausforderungen für die kollaborative Zusammenarbeit ein wichtiges Lehrstück dar – Beziehung und Austausch zu praktizieren und zu pflegen ist ein kontinuierlicher Prozess, der nur in der Praxis erlernbar ist.
Dabei stand schon bei den Künstlern des Te Rāwheoro, die das Pou im 18. Jahrhundert geschaffen haben, die Idee des Austausches mit anderen Gesellschaften im Mittelpunkt. Auch heute erachten Maori aus Tolaga Bay den Austausch mit Tübingen als wichtig und Herr Harms als (Wieder-)Entdecker des Pous ist vor Ort bis heute bekannt. So mündete dieser Kontakt in eine erste, lange Ausstellungskooperation, zu der das Poupou von Oktober 2019 bis Ende Mai 2022 von Tübingen nach Neuseeland wanderte. Und dieser Austausch kann bestehen bleiben, in dem wir von Tolaga Bay lernen, nicht nur über die Maori und das Poupou, sondern mit den Mitgliedern des iwi diskutieren und so darüber nachdenken, wie man Museum macht. Darum ist es unser langfristiges Ziel eine Verknüpfung zwischen Tübingen und der Ostküste Neuseelands herzustellen, von der beide Seiten lernen und profitieren können.
Mehr Informationen über das Tübinger Poupou gibt es in der Publikation „Das Tübinger Poupou“ von Volker Harms, erhältlich im Museumsshop des MUT.
Johanna Annau B.A.